"HERR, dich rufe ich an, denn das Feuer hat die Auen in der Steppe verbrannt, und die Flamme hat alle Bäume auf dem Felde angezündet. Es schreien auch die wilden Tiere zu dir, denn die Wasserbäche sind ausgetrocknet und das Feuer hat die Auen in der Steppe verbrannt."
Die Bibel (Joel 1, 19-20)

Vorweg ein interessanter Aspekt. Der Name Joël bedeutet auf Hebräisch „JHWH ist Gott“ und betont, dass es für Israel keinen anderen Gott gibt außer den, der sich dem Volk mit seinem Namen „JHWH“ offenbart hat. Das ist die Botschaft dieses Prophetenbuches und zugleich auch die Problematik, mit der es ringt: „Dann werdet ihr erkennen, dass ich mitten in Israel bin und dass ich der HERR [=JHWH] euer Gott bin, ich und sonst niemand„ (Joël 2,26), so verkündet es Gott in der Mitte und in anderen Worten nochmals am Ende des Buches. Alles Heil und alles Unheil, das Israel widerfährt, geht somit von diesem einen Gott aus, der kommen wird, um Israel und alle Völker zu richten.
Das erste Kapitel des Buches schildert eine umfassende Katastrophe durch Naturereignisse und Krieg, die das Leben im Land unmöglich machen. In seiner Verzweiflung ruft der Prophet zu Gott um Hilfe. Im Vers 20 lesen wir, dass selbst die Tiere des Feldes nach Gott schreien, weil die Wasserbäche vertrocknet sind und dass Feuer die Auen der Steppe verzehrt hat. Diese Passage verdeutlicht, dass es in schweren Zeiten essenziell ist, auf Gott und auf seine Führung zu vertrauen. Es ermutigt uns, inmitten von Schwierig-keiten zu beten und unsere Bedürfnisse vor Gott zu bringen, wissend, dass er uns hört und uns beisteht. Es zeigt auch die tiefe Verbundenheit und Abhängigkeit des Menschen von seinem Schöpfer. Letzt-endlich lehrt uns dieser Vers, dass in unseren schwierigsten Momenten Gott unsere Zuflucht und Stärke ist.
Und ein weiterer wichtiger Aspekt wird in Joel 1 und Joel 2 thematisiert. Wenn es nur einen Gott gibt, dann ist der strafende Gott mit dem heilbringenden Gott identisch. Innerhalb der Schreckensbilder, der düsteren Schilderungen, ruft der Prophet das Volk eindringlich dazu auf, sich Gott zuzuwenden. Es geht nicht nur um äußere Zeichen der Reue, sondern um eine innere Umkehr, wie es in „Doch auch jetzt noch, spricht der HERR, kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen! Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und kehrt um zu dem HERRN, eurem Gott!“ (Joël 2,12-13a) formuliert wird. So wie der Mensch zu Gott umkehren kann, so kann Gott sich von seinem Zorn abkehren, worauf das Buch Joël mit der sogenannten Gnadenformel verweist: „Denn er [GOTT] ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und es reut ihn bald die Strafe.“ (Joël 2,13).
Am Ende des Buches Joel wird das göttliche Gericht über die Welt beschrieben, doch es bleibt Hoffnung. Sowohl Israel als auch die anderen Völker haben die Möglichkeit zur Umkehr. Es heißt: „Und jeder, der den Namen des HERRN anruft, wird gerettet.“ (Joël 3,5). Diese Aussage zeigt, dass Gottes Gnade nicht auf Israel beschränkt bleibt, sondern allen gilt. Besonders eindrucksvoll ist die Verheißung, dass Gott seinen Geist ausgießen wird: „Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch.“ (Joel 3,1).
Diese Prophezeiung wird im Neuen Testament aufgenommen, als Petrus in der Apostelgeschichte das Pfingstereignis als Erfüllung von Joels Vision deutet (Apg. 2,17-21). Die Geburtsstunde der Kirche wird damit als Moment gesehen, in dem Gott sich allen Menschen offenbart und die Unterschiede in der Gotteserfahrung überwindet. So wird die Einladung zur Umkehr nicht nur an Israel, sondern an alle Völker gerichtet, bevor das göttliche Gericht eintritt. Das Buch Joel ist ein eindringlicher Ruf, sich Gott zuzuwenden. Es macht deutlich, dass Gott nicht nur als Richter auftritt, sondern auch Rettung und Trost schenkt. Diese Botschaft bleibt bis heute gültig: „Bei ihm finden wir Errettung, Ruhe für unsere Seelen und Hilfe an jedem Tag unseres Lebens.“
Burkhard & Petra Eisen